Eins mit dem Klavier – Spannender Besuch im GK Musik

Eins mit dem Klavier – Spannender Besuch im GK Musik

Ein trüber Nachmittag im Januar 2023. Es klingelt zum Pausenende des 11. und 12. Jahrgangs. Die Gänge füllen sich mit Schüler*innen, die sich zu ihren letzten Schulstunden schleppen. Nur vor dem Raum des Grundkurses Musik von Herrn Dippold wird aufgeregt getuschelt, denn heute steht eine besondere Doppelstunde auf dem Programm. Im Treppenhaus nähern sich Schritte. Sie gehören Herrn Dippold, der von einem alten Studienfreund begleitet wird. Es handelt sich um niemand geringeren als den Pianisten Florian Heinisch, welcher extra für uns aus Hamburg angereist ist, um über sich und seinen interessanten Beruf zu berichten.

So gut waren wir noch nie auf den Unterricht vorbereitet. Also keine Zeit verlieren! In der letzten Unterrichtseinheit haben wir Fragen gesammelt, um den Besuch des Ehrengastes voll ausnutzen zu können. Wie ist er dahin gekommen, wo er jetzt steht? Wir wollen es genau wissen, viele Fragen prasseln auf Heinisch ein. Seine Begeisterung für das Klavierspiel beginnt im Alter von fünf Jahren. Von da an kann er sich keinen anderen Beruf vorstellen. Später wird er zu einer besonderen Klavierlehrerin geschickt, die nach der russischen Schule arbeitet und nur vielversprechende Talente auf den Beruf als Pianist vorbereitet. Von ihr als Schüler angenommen zu werden, markiert im Nachhinein einen wichtigen Meilenstein seiner Karriere und ermöglicht es ihm, einen der begehrten Studienplätze an einer Musikhochschule zu ergattern. Die Konkurrenten sieht er als Vorbilder oder blendet sie vollkommen aus. Nur einmal wendet er sich von seinem Berufstraum ab und beginnt, Schulmusik zu studieren – was er jedoch nach zwei Semestern wieder abbricht. Für uns ist dies jedoch ein großes Glück, denn dort kreuzen sich seine Wege mit denen unseres Musiklehrers.

Danach widmet er sich nur noch dem Klavier. Er übt täglich stundenlang und erweitert seine Medienpräsenz. Letztere ist für Heinischs Erfolg ebenfalls maßgeblich entscheidend. Mindestens einmal im Monat plant er gemeinsam mit seinem Management die nächsten Konzerte. Darauf wiederum beruht sein Arbeitsprogramm. Damit er nicht nur seine Lieblingsstücke übt, führt er eine Liste, um an allen Stücken gleich intensiv zu arbeiten. Die Gestaltung des Alltags birgt natürlich viele Herausforderungen: Urlaub oder längere Übepausen kommen nicht in Frage. Auch die derzeitige Beziehung leidet manchmal, da das Klavier permanent an erster Stelle steht.

Nun beginnt Heinisch, von seiner Wohnsituation zu erzählen. Dies ist für ihn ein wichtiges Thema, denn sein Beruf hat schon etliche Male zu Streitigkeiten geführt. Die sechs bis acht Stunden, die er täglich am Klavier übt, oft bis in die Nacht hinein, sind nicht jedes Nachbars Traum. Obwohl die Wohnsituation für Musiker*innen hierzulande starke Nerven verlangt, möchte er keinesfalls aus Deutschland weg. Es ist nun mal das Land mit dem größten Kulturangebot – wer es hier schafft, der schafft es überall: Heinisch hat es geschafft. Er kann einzig und allein von seinen Auftritten leben, was in diesem Berufsfeld wirklich nur den Allerwenigsten gelingt, auch und gerade nach der Corona-Krise.

Als Highlight gibt Heinisch endlich einige Kostproben seines Talents. Wir rücken zusammen, um perfekt hören und sehen zu können. Sein erstes Werk ist die Etüde „En suspens“ von György Ligeti aus dem Jahr 1994. Bevor er zu spielen beginnt, bereitet sich der Pianist einen Moment mental vor. Gespannt verfolgen wir die Musik. Verzaubert von dem Klang, der den Musikraum erfüllt, erkennen wir das Besondere des Stückes: Eine Hand spielt jeweils nur auf den weißen, die andere nur auf den schwarzen Tasten. Es scheint, als wäre der Pianist eins mit dem Instrument. Auch wir werden von der Musik gepackt und hören konzentriert zu. Nachdem sie verklungen ist, sorgen wir für den wohlverdienten Applaus. Nur selten hat man die Gelegenheit, so nah an dem Künstler sein zu können. Als er noch einen Ausschnitt aus der Etüde „Vertige“ von Ligeti spielt, sind wir endgültig verblüfft. Diesem komplexen Werk ist kaum zu folgen, da die Töne derart ineinander verschmelzen und sich wiederholen. Dies gesteht auch Heinisch: Man kann leicht aus dem Konzept geraten und nie wieder hineinfinden.

Dazu bleiben uns weiterhin viele Fragen, die uns der Künstler gerne beantwortet. Zum Beispiel erklärt er, wie perfektionistisch er bei seinen Vorspielen ist. In seinem Kopf hört er die gerade gespielten Töne sowie gleichzeitig die, die er als nächstes treffen muss. Nicht immer genügt sein Spiel seinen eigenen hohen Ansprüchen, dem Publikum hingegen fallen solche Details nicht auf. Gerade in seinem Element, spielt Heinisch den 1. Satz aus Ludwig van Beethovens „Waldsteinsonate“ op. 53. Auch bei diesem Stück, welches er häufig in Konzerten spielt, hören wir deutlich, wieso er von seinem Beruf leben kann.

Überhaupt spielt Heinisch oft Werke von Beethoven, einen Lieblingskomponisten hat er jedoch nicht. Bei der Frage des Instrumentes sieht es jedoch etwas schwieriger aus. Er erläutert, dass er fast nie mit dem im Konzertsaal zur Verfügung stehenden Klavier zufrieden ist. Um trotzdem die bestmögliche Qualität zu erreichen, stellt er sich den Klang eines guten Klaviers vor (beispielsweise das aus der Hamburger Elbphilharmonie) und versucht, diesen nachzuahmen.

Der eindrucksvolle Besuch endet mit einer Zugabe, der Fuge H-Dur aus dem 2. Teil des „Wohltemperierten Klaviers“ von Johann Sebastian Bach. Gerne hätten wir noch mehr Musik gehört, doch das Klingeln beendet die Doppelstunde. Wir sind sehr dankbar, diesen Einblick in den spannenden Beruf eines Konzertpianisten bekommen zu haben und bedanken uns sehr bei Florian Heinisch, dass er sich die Zeit für uns genommen hat. Wir wünschen ihm noch ganz viel Erfolg für seine zukünftige Karriere!

Text: Luise Ehmsen
Bilder: privat