Ist das deutsche Politik-System überhaupt fair?

Ist das deutsche Politik-System überhaupt fair?

Am 23. Februar wurde gewählt und – abseits vom Wahlergebnis allgemein – gibt es einen weiteren Punkt, der zumindest auf den ersten Blick sehr verwunderlich erscheint: Über 6,8 Millionen Zweitstimmen werden nicht im Bundestag vertreten werden. Bei 49.642.087 gültigen Zweitstimmen sind das 13,7%. Besonders, weil es für diese Bundestagswahl eine Wahlrechtsreform gab, kann man sich fragen „Warum?“

Die 5-Prozent-Hürde

Grund für diesen „Ausschluss“ ist die 5-Prozent-Hürde, auch als 5%-Sperrklausel bekannt. Die gilt für alle Bundestagswahlen und Landestagswahlen, hier beschäftige ich mich aber nur mit der Bundestagswahl. Sie besagt (mit einer kleinen Ausnahme), dass Parteien, die weniger als 5% der Stimmen erhalten, nicht im Bundestag vertreten sind. So kommen nicht zu viele Parteien in den Bundestag, was Entscheidungslähmung wegen erschwerter Einigungsmöglichkeit und den (noch) einfacheren Eintritt extremer Parteien verhindern soll. Außerdem sollen Parteien im Bundestag nicht nur die Interessen ganz kleiner Gruppen vertreten (was bei wenig Stimmen wahrscheinlicher ist). Es gibt noch eine Ausnahmeregel, die jedoch von keiner Partei bei dieser Bundestagswahl in Anspruch genommen werden kann und deshalb nicht weiter erwähnenswert ist.

Auch wenn so eine „stabilere Regierung“ gebildet werden soll, werden deswegen dieses mal über 6 Millionen Stimmen „verbrannt“, sie werden also nicht im Bundestag vertreten. Hier sind auch zwei Parteien mit über 4% (2 Millionen Stimmen) der Stimmen dabei, die also nicht nur die Interessen einer ganz kleinen Gruppe vertreten.

Wie sähe ein Bundestag ohne 5-Prozent-Hürde aus?

Ohne 5-Prozent-Hürde würde jede Partei mit genügend Stimmen, um einen Sitz zu erhalten, in den Bundestag kommen. Bei 630 Sitzen wären also mindestens 0,16% der Stimmen nötig, was bei dieser Wahl knapp 80.000 Stimmen entspräche. Dadurch würden 14 Parteien in den Bundestag einziehen:

  • CDU / CSU
  • AfD
  • SPD
  • Grüne
  • Die Linke
  • BSW
  • FDP
  • Freie Wähler
  • Tierschutzpartei
  • Volt
  • Die Partei
  • dieBasis
  • Bündnis Deutschland
  • (SSW)

14 Parteien im Bundestag wäre mehr als eine Verdopplung der im Bundestag vertretenen Parteien und hätte auch Einfluss auf die großen Parteien: Sie müssten 86 Sitze abgeben und somit könnte – am Beispiel der Bundestagswahl 2025 – keine Koalition nur zwischen CDU und SPD stattfinden. Außerdem wäre davon auszugehen, dass bei zukünftigen Wahlen mehr Menschen Kleinparteien wählen würden, weil diese zwar zu nicht so vielen Menschen (gut) passen, zu den Menschen, die die Partei wählen, aber meist deutlich besser.

Alternativen statt komplette Abschaffung der 5-Prozent-Hürde

Anstatt die 5-Prozent Hürde komplett abzuschaffen, gibt es natürlich auch einige alternative Ideen. So könnte man einen Mittelwert finden, um sich nicht zu starker Entscheidungslähmung auszusetzen, trotzdem nicht ganz so viele Stimmen zu „verbrennen“.

Heruntersetzen der 5-Prozent-Hürde

Eine Idee ist es, statt 5 Prozent Parteien schon ab 4 Prozent den Einzug in den Bundestag zu gewähren. Dadurch wären bei dieser Bundestagswahl die FDP und BSW in den Bundestag eingezogen, was aber z.B. auch dafür gesorgt hätte, dass keine Koalition nur zwischen CDU und SPD möglich ist.

Zweitstimme für die Zweitstimme

Eine weitere Idee ist das Einführen einer Zweitstimme für die Zweitstimme. Hierbei könnte man eine zweite Wahl bei der Zeitstimme angeben und wenn die erste Wahl es nicht in den Bundestag schafft, zählt die zweite. Das Hauptproblem hierbei ist, dass es den Stimmzettel und auch den restlichen Wahlprozess (wie Auszählung) deutlich komplizierter macht.

Flexible Sperrklausel

Noch eine weitere Idee ist es, die Prozenthürde nach verschiedenen Faktoren, wie z.B. die Anzahl der abgegebenen Stimmen, bei jeder Wahl erneut festzulegen. So würde verhindert werden, dass zu viele Parteien in den Bundestag einziehen, gleichzeitig hätten Kleinparteien aber eine bessere Chance.

Ein weiteres Modell der flexiblen Sperrklausel ist die regionale Sperrklausel, bei der Parteien eine Mindestanzahl an Stimmen auf regionaler Ebene erhalten müssen. Problem hierbei ist, dass diese Parteien sehr wahrscheinlich eine Region bevorzugen würden, was nicht gewollt ist.

Wahlrechtsreform 2023

2023 gab es eine Wahlrechtsreform. Diese hat die Anzahl der Sitze im Bundestag beschränkt, damit Deutschland den Titel „größtes Abgeordnetenhaus der Welt“ wieder ablegen kann. Zuvor war es so, dass jede Person, die eine Mehrheit der Stimmen in einem Wahlkreis geholt hat, ein Direktmandat für den Bundestag erhielt. Nun wurde eine „Zweitstimmendeckung“ eingeführt. Die besagt, dass Personen mit einer Mehrheit der Erststimmen nur noch in den Bundestag ziehen, wenn ihre Partei auch genügend Zweitstimmen erhielt. Das macht die Erststimme (noch) nutzloser, weil sie nun nur noch besagt, wer aus einer Partei in den Bundestag zieht. Das ist den meisten Menschen aber egal. An der 5-Prozent-Hürde hat die Wahlrechtsreform nur sehr wenig verändert: Einer Ausnahmeregel, die besagt, dass man mit mind. 3 Direktmandaten (durch Erststimmen) auch ohne 5% der Zweitstimmen in den Bundestag ziehen kann, wurde als weitere Bedingung eine ausreichende Zweitstimmendeckung hinzugefügt (also genügend Zweitstimmen für mind. 3 Sitze).

Eigene Meinung

Die Sperrklausel ist wichtig. Wenn auf einmal mehr als doppelt so viele Parteien im Bundestag wären, würde das zu weniger (guten) Entscheidungen führen, weil es schwierig ist, sich mit jeder Partei gutzustellen. Trotzdem ist die Sperrklausel, so wie sie jetzt ist, schlecht. Wenn fast ein Sechstel der Stimmen entwertet wird und im Bundeswahlgesetz steht, dass die Grundsätze der Verhältniswahl gelten, läuft irgendwas falsch. Besonders vor dem Hintergrund, dass es erst 2023 eine Wahlrechtsreform gab…

Quellen

https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-in-einfacher-sprache/292100/fuenf-prozent-huerde
https://www.wahlrecht.de/news/2025/bundestagswahl-2025.html
https://www.bundeswahlleiterin.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2025/27_25_vorlaeufiges-ergebnis.html
https://www.gesetze-im-internet.de/bwahlg/BJNR003830956.html

Jakob
Bild: KI