Der Tag, an dem halbbekannte Rentner dich beschenken

Der Tag, an dem halbbekannte Rentner dich beschenken

Wie stellt ihr euch das perfekte Weihnachten vor?

Also meines bestand seit jeher aus einer Menge Schnee, einem ausfallenden Wecker und extrem vielen ofenwarmen Keksen von Oma. Ergänzt wurde alles von fröhlichem Radiogedudle, mit zunehmendem Alter abnehmenden Besuchen von der entfernteren Verwandtschaft, die aber trotzdem jede Menge Geschenke hinterließ.

Es gab keine pseudofreundlichen Karten.

Keine unangenehmen Gespräche mit dem Onkel.

Keiner ging in die Kirche, um sich mit einem Haufen hyperaktiver Mini-Atheisten und verschwitzter Schweinhaxenliebhaber in die letzte Reihe zu quetschen.

Abends saß man zusammen mit den Eltern (und der nervigen Schwester) auf der Couch und las sich etwas durch, vielleicht machte man noch einen Videocall mit dem Lieblingsverwandten und guckte im Anschluss einen Weihnachtsfilm.

Von Wegen.

Schauen wir uns doch mal das richtige Weihnachten an; als in seiner Tätigkeit als Teenager komplett aufgehender Mensch beginnt der Tag für einen natürlich zu früh. Man wirft hoffend einen Blick aus dem Fenster, um zu sehen: Der Schnee ist zu gräulich, zu nass und zu schnell. Und das wird den restlichen Tag über auch so bleiben.

Der Vormittag wird mit letzten Vorbereitungen auf die Verwandschaft verbracht; es wird geputzt, verpackt und diskutiert. Dabei lästert man ein wenig über unliebsame Gäste.

Nächster Schritt: Kirche. Zumindest bis vor vier Jahren, denn dann kam Corona und seitdem sind alle irgendwie Atheisten geworden, von daher: Bei wem das so ist, mein allergrößtes Beileid. Wer nun in der Kirche ist, darf sich über die tollen Stimmen seiner Stehnachbarn freuen, die wie immer harmonischSstille Nacht, heilige Nacht schmettern. Dann ascht man ein bisschen für die Geringverdiener in einen Korb und darf mit dem Gefühl, ein seelensguter Mensch zu sein, die Kirche bis Ostern abschreiben.

Anschließend kommt der obligatorische Besuch der Verwandschaft, die man entweder besucht, oder von der man besucht wird. Je nach Alter wird einem in die Backen gekniffen und beteuert, wie riesig man geworden sei. Der Onkel erklärt einem dann die Welt und es wird gegessen.

Kommen wir zum Highlight der Festivitäten, dem Herzstück von Weihnachten, dem Fest der Konsumgüter, und beginnen die Bescherung. Natürlich lachend freut man sich mit einem festgetackerten Lächeln über die krassen Geschenke, voller Dankbarkeit für die Amazon Wishlist und unauffälige Verhöre im Familienchat. Es werden originelle Flachwitze gerissen, parallel würgt man die veganen, Gluten- Zucker- und Palmölfreien Kekse der Gesundheitsfanatiker mit reichlich Nutella herunter.

Ehe man es sich versieht, ist es schon so spät, oder anders: Zeit, die Bühne zu räumen und den Haufen Halbbekannter Rentner mit einem gesmalltalkten Kompliment aus dem Heim zu kicken.

Erschöpft zieht sich der Teenager nun zurück, um „die Geschenke zu genießen“ und eine chinesische Kurzvideo-App zu benutzen, um so in einen seichten Dämmerschlaf zu (ver)fallen.

Schönes restliches Leben,

Fiona

Disclaimer: Für den unwahrscheinlichen Fall, dass eine oder mehrere mit dem Autor verwandte Personen (insbes. Menschen) diesen Text lesen; der Autor distanziert sich hiermit ausdrücklich von den in diesem „Artikel“ vorkommenden Diffamierungen. Das obliegende Schriftstück bezieht sich zu humoristischen Zwecken auf generalisierte, vereinfachte und stereotype Situationen und Charaktereigenschaften, die in keinster Weise mit den persönlichen Eindrücken und Erfahrungen des Verfassers korrelieren. Ebenso sind die Stimmen der Stehnachbarn im Gotteshaus jedes mal ein Quell der Entzückung und das Spenden für Bedürftige ist eine Aktivität, die von der gesamten Redaktion (inklusive des Autors) befürwortet wird.