Hmm, lecker, der Klassiker, ein Muss für jeden Hobbymixer: 2 cl Wodka, 6 cl Tomatensaft, ein bisschen Zitronensaft, einen Schwups Tabasco und Worcestersauce, Pfeffer, Salz ins Glas, eine launige Stange Sellerie drangesteckt, und – Zack! – habt man eine leckere Bloody Mary im Glas.
(Natürlich geht das alles auch ohne Alkohol und ist ebenso lecker: Einfach den Wodka weglassen. Das hat den Vorteil, dass man auch nach ein paar Gläsern noch fehlerfrei „Worcestersauce“ sagen kann.)
Aber eigentlich auch igitt: Wenn der Drink schon blutrot ist, warum muss dann noch der Name darauf hinweisen? Und woher kommt der Begriff denn überhaupt? Und warum wird man von einem bösen Geist heimgesucht, wenn man vor einem Spiegel den Cocktail ein paar Mal bestellt?
Also erst einmal das Geschichtliche, schließlich ist das hier eine Schulzeitung: Die gute „Bloody Mary“ hieß eigentlich nicht so, sondern eher Maria I. oder Mary Tudor. Sie war von 1553 bis 1556 Königin von England und hatte die fixe Idee, den katholischen Glauben wieder einzuführen. Dieser war zuvor von ihrem Vater Heinrich VIII abgeschafft worden (als ausgesprochener, äh, Lebemann hatte er es vorgezogen, irgendwie um die katholischen Heiratsregeln herumzukommen…). Allerdings waren nicht alle Untertanen davon begeistert, und als probates Mittel zur Beilegung dieser konfessionellen Uneinigkeiten und generell als königlichen Zeitvertreib sah es die gute Maria an, die verstockten Protestanten hinzurichten. Am Ende sollen es über 300 Menschen gewesen sein, die so ihr Leben verloren haben.
So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass sie auch „Bloody Mary“ nannte. Und nein, es ist nicht ausgemacht, dass sie allen Verurteilten persönlich den Kopf abschlug. Und nein, am Ende waren nicht alle katholisch, nach ihrem Tod bestieg ihre Halbschwester Elizabeth I. den Thron und beendete das Morden. Und nein, Elizabeth I sah auch nicht aus wie eine Partynudel, aber immerhin nicht ganz so sauertöpfisch wie ihre Schwester auf dem Bild.
Auf jeden Fall aber wurde die gute Bloody Mary zu einer mehr oder weniger legendären Königin, auch wenn sie mit ihrem Hauptziel, der Rekatholisierung Englands, scheiterte. Und was den unfreundlichen Beinamen betrifft, da können auch andere Adelige ein Lied davon singen, erwähnt seien nur Friedrich der Gebissene (1257-1323) oder Johanna die Wahnsinnige (1479-1555).

Wie nun genau der Cocktail zu seinem Namen kam, ist nicht geklärt. Erfunden wurde er irgendwann in den 1920er Jahren, und ob er so benannt wurde, weil der Erfinder sein erstes Glas damit auf dem weißen Ballkleid seiner Freundin Mary verteilte, oder ob es wirklich eine Anspielung auf Mary I und ihr blutiges Regieren war, ist nicht ganz belegt. Belegt ist aber, dass ein Hotelbesitzer in den USA einst den Cocktail zu „Red Snapper“ umbenannte, aber das hatte keinen langen Bestand.


Nun, soweit, so uninteressant… Was genau hat es aber nun mit der Königin, dem Cocktail und der Gruselgeschichte auf sich?
Fairerweise muss gesagt werden, dass Mary Tudor zwar als Ideengeberin für einen bösen Geist im Spiegel sehr wahrscheinlich ist, dass aber auch andere hochqualifizierte Personen im Rennen sind:
Da wäre zum einen noch Elizabeth Báthory, eine ungarische Gräfin und verurteilte Serienmörderin aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Der Legende nach soll sie mindestens 600 Mädchen ermordet und dann in deren Blut gebadet und dieses auch getrunken haben, um sich selbst jung zu halten. Das wäre eine fantastische Vorlage für einen Geist, nur dass dieser dann vermutlich nicht „Mary“ heißen würde, sondern z.B. „Elizabeth Báthory“, oder „Lissy“ oder so. Und dann gibt es auch noch die historisch nicht genau festzumachende Mary Worth, die entweder entflohene Sklaven aus den amerikanischen Südstaaten ermordet haben oder ein Opfer der Hexenprozesse in der Frühen Neuzeit gewesen sein soll. Da würde zumindest der Namen stimmen, auch wenn diese Figur nicht halb so gruselig ist wie die blutbadende Gräfin…
Der modernen Legende nach muss man sich mit einer Kerze in der Hand vor einen möglichst großen Spiegel stellen, alles andere Licht löschen und drei Mal „Bloody Mary“ sagen. Oder 13 Mal, oder 99 Mal (das dauert wieder…), oder „Hell Mary“ oder „Mary Worth“ sagen“, je nach dem. Die Angaben sind sich hier uneinig. Unklar ist dann auch, was dann geschieht: Entweder wird man von dem Geist angebrüllt, oder verflucht, oder erwürgt, oder der Geist trinkt einem das Blut aus den Adern oder stiehlt einem die Seele, also alles eher unangenehme Dinge, die man eigentlich vermeiden würde.

Spätestens hier drängt sich die Frage auf, wer denn jetzt eigentlich noch so blöd ist, das Ritual zu unternehmen: Es kann sich ganz schön hinziehen, es ist unklar, ob es funktioniert, und selbst im besten Fall (Geist erscheint) ist das Ergebnis eher unerfreulich. Dennoch ist das Beschwören der Bloody Mary eine beliebte Mutprobe unter amerikanischen Teenagern, und auf diesem Wege auch die Grundlage einer ganzen Menge Horrorfilme, die sich alle mehr oder weniger darum drehen, dass irgendwer Mary beschwört, diese sich aber wenig dankbar zeigt und verschiedentlich Leute umbringt und eher mühsam zu beseitigen ist.
Und, am Rande vermerkt, das Ritual ist auch nicht neu: Wenn sich eine Frau zu Halloween mit einer Kerze vor einen Spiegel stellt, so erscheint im Bild neben ihr ihr zukünftiger Mann. Und wir hoffen, dass dieser dann nicht brüllt, flucht oder Blut trinkt.

Ferner wissen wir alle vom Zähneputzen am Morgen, dass einen manchmal sehr unheimliche Gesichter aus dem Badezimmerspiegel anschauen. Der Profi spricht dann die Zauberformel: „Ich erkenne dich nicht, aber ich wasche dich trotzdem!“, wirft sich ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht, und schon ist die gruselige Fratze verschwunden. Oder zumindest ein bisschen sauber.

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Quellen: Wikie Commons; https://printerval.com/let-s-conjure-bloody-mary-t-shirt-p24311465