Coronatime

Coronatime

Anfangs haben wir uns wohl alle noch nichts dabei gedacht, als irgendein Virus sich verbreitet hat,der klingt, als wäre er nach einem Bier benannt worden. Doch leider wurde uns dann umso schneller klar, worum es sich dabei wirklich handelt. Ich muss euch nicht erklären, wie nach der Erkenntnis, dass Corona tatsächlich gefährlich ist, unzählige Menschen die Läden eingerannt haben, um ohne jeglichen Sinn alles zu bunkern, was ihnen in die Hände kam. Ich kann nur hoffen, dass nicht allzu viele von euch dabei waren. Doch mittlerweile hat die ganze Situation Ausmaße angenommen, die keiner von uns geahnt hätte. Jetzt bleibt uns keine andere Möglichkeit als zu hamstern, wenn wir nicht leer ausgehen wollen. Es macht genauso wenig Spaß in fünf Supermärkte zu gehen, um das zu bekommen was man sucht und dabei dauernd im Hinterkopf zu haben, dass jeder einzelne Mensch um einen herum infiziert sein könnte. Aber
wenn wir uns in die Angst hineinsteigern und gegenseitig verrückt machen, bringt das niemandem etwas.
Und trotzdem: Obwohl wir jeden Tag überall Informationen über weitere Todesfälle lesen und umgeben sind von rücksichtslosen Menschen, muss man gesagt haben, dass sich neben all der Negativität auch etwas Positives finden lässt.
Die Corona-Version von dem Song „Macarena“, oder die „Klopapierworkouts“ sind wohl an niemandem vorbeigegangen. Außerdem ergreifen jetzt sehr viele die Gelegenheit, sich neue Fähigkeiten anzueignen. Da fangen die Themen bei Yoga an und gehen über Gitarre lernen bis zu Häkeln. Auch interessant finde ich den neuerdings entstandenen Drang, den Haaren selbstständig eine Veränderung zu verpassen. Oder man bemalt seine Wände mit Meme-Spongebobs. Bei dem, was man so alles mitbekommt, ist es schwer, nicht selbst aktiv zu werden.
Es gibt unter uns allerdings ebenso viele Sportler, wie kreative Köpfe, die jeden Tag laufen gehen oder Krafttraining oder anderweitig trainieren. Damit macht ihr wohl nicht nur eure Eltern, sondern auch Herrn Roth stolz. Doch so manche Lehrer scheinen nicht ganz zu verstehen, dass
Langeweile eben nicht heißt, dass man nichts zu tun hat. Wenn wir also noch mehr Aufgaben bekommen mit der Begründung „damit euch nicht langweilig wird“, ist das mehr als unlogisch. Und wenn wir schon beim Thema Schulaufgaben sind: Wie viele von uns setzen sich tatsächlich
jeden morgen um acht Uhr an den Schreibtisch und arbeiten konsequent? Vermutlich nicht so viele, wie es sein sollten. Stattdessen versinken viele in den Tiefen von Minecraft, Tiktok oder der wieder ausgegrabenen Playstation. Aber so lange man es letztendlich schafft, sich irgendwie aufzuraffen, muss man sich noch keine Sorgen machen. Wenn alle Stricke reißen, schiebt man es einfach auf die Internetverbindung…
Während die introvertierten Einsiedler unter uns gerade voll aufblühen, ist der Rest wahrscheinlich langsam am verzweifeln, wie man einen weiteren Tag ohne Freunde überleben soll. Denn leider sind „Houseparties“ bis drei Uhr nachts nicht ganz dasselbe, was auch daran liegen könnte, dass
niemand diese App wirklich versteht. Aber das ist noch nichts im Vergleich zu den Videotelefonaten mit der Familie: Während man versucht, den Eltern die App zu erklären, schaltet die Oma zum fünften Mal verzweifelt Mikrofon und Kamera abwechselnd an und aus bei dem Versuch, aufzulegen. Mittlerweile finde ich das Ganze aber eher lustig als nervig. Auch wenn sich jetzt 90% der großen Geschwister ein Türschloss wünschen, kann ich aus der Perspektive des kleinen Geschwisterkindes nur sagen, dass eure Geschwister das nicht nur machen, um euch zu nerven, sondern auch weil sie sich insgeheim freuen, Zeit mit euch verbringen zu können. Selbst wenn sie das niemals zugeben würden. Also wenn ihr zum zehnten Mal am Tag in eurem Zimmer sitzt und überlegt, wie ihr die Zeit totschlagen könnt, dann geht statt an euer Handy mal zu eurer Familie. Denn wir können uns, glaube ich, nicht vorstellen wie glücklich unsere Eltern tatsächlich sind, wenn wir mal auf sie zukommen, statt andersherum. Es ist schwer, sich dabei an die eigene Nase zu fassen, ich hab gut reden wie ich hier in meinen Zimmer an dem Artikel sitze, statt bei
meiner Familie unten im Wohnzimmer. Aber es lohnt sich wirklich die Augen aufzumachen und zu schätzen, was wir haben.
Vermutlich ist die Schwierigkeit an der ganzen Sache, dass das größte Engagement, das wir in dieser Angelegenheit zeigen können ist, einfach nur zu Hause zu bleiben, bis uns die Decke auf den Kopf fällt. Im Nichtstun besteht die hohe Kunst.
Aber dennoch bieten Zeiten wie diese eine Möglichkeit, die wir uns sonst hart erkämpfen müssen. Und dafür sollten wir in gewisser Weise auch dankbar sein. Denn dadurch, dass uns zeitweise die Freiheit genommen wird, lernen wir das zu schätzen, was tatsächlich wichtig ist und gehen aus
der ganzen Sache mit einem viel klareren Blick wieder heraus. Jetzt wird so manchen von uns vielleicht erstmal bewusst, wie wenig wir eigentlich brauchen, und dass unser vollgestopfter Alltag vielleicht gar nicht der richtige Weg ist, um an das Ziel zu kommen, das wir anstreben. Mit einem
freien Geist, der jetzt, um einen kühlen Kopf zu bewahren unbedingt notwendig ist, aber wenigen Mitteln, kann man im Zweifelsfall sogar mehr erreichen, als mit allen Mitteln der Welt, aber einem durch das Chaos verwirrten Geist. Wir fokussieren uns jetzt auf das Wichtigste und diese
Fähigkeit des Fokussierens, die nun gefragt ist, wird mit Sicherheit auch in Zukunft noch von großem Nutzen sein. Wer weiß, wie diese Zukunft aussehen mag.

Nadia (Mai 2020)